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"Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Samstag 29. Dezember 2007, 15:03
von priss
Beim Betrachten des Bockx-Auftritts in der RTL-Chartshow, bei dem man ein neu arrangiertes "Déjà Vu" spielte, ist mir dieser Herwig-Kommentar wieder eingefallen. Wer waren denn eher die "legitimen", wer eher die "illegitimen" Häuptlinge bei Spliff? Diese Frage hat sich mir beim Betrachten des besagten Auftritts von selbst beantwortet.
Bockx spielten eine neu arangierte Fassung von "Déjà Vu" - DIE absolute HERWIG-Nummer! Die neuen Textzeilen "Es fängt an, es hört auf, es geht weiter - es ist ein langer Weg. Geht's Dir gut, geht's Dir schlecht, geht's Dir besser - es bleibt ein langer Weg" - nun ja, ...mir sagen diese Zeilen alles und gar nichts. Sie haben mit Herwigs Text nichts, aber wohl viel mit dem "Schicksal" von Manne und Potsch während der letzten 20 Jahre zu tun.
Im Fernsehbeitrag führen Manne und Potsch das Fernsehteam zu dem Italiener (der heute unverkennbar ein Türke ist), in dem "Carbonara" entstanden sein soll - eindeutig eine REINHOLD-Nummer.
Verkürzt gesagt: Manne und Potsch versuchen eine Art Spliff-Comeback - aber mit Material von Herwig und Reinhold. Und damit ist es auch raus: Herwig und Reinhold sind für mich die legitimen Häuptlinge von Spliff. Damit soll die Leistung von Manne und Potsch nicht geschmälert werden. Potsch war und ist ein hervorragender Gitarrist. Manne ist ein Ass am Bass, und ihm sind auch einige schöne einfache und gefühlvolle Balladen gelungen. Aber die eigentlichen Häuptlinge bei Spliff sind bei dem "Bockx auf Spliff"-Projekt nicht dabei. Und das weiss man wohl auch in den Chefetagen der Plattenfirmen....
Als sich die oben beschriebene "Kompetenzstruktur" (Herwig und Reinhold als "Häuptlinge", Manne und Potsch als "Indianer") ab 1984 verschob, läutete man damit das Ende von Spliff ein.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Samstag 29. Dezember 2007, 22:44
von Magie
Hm, interessanter Standpunkt.
Wobei 1984 Herwig doch Häuptling war wie noch nie, und der Schuß nach hinten losgegangen ist. Das Album war das schwächste von Spliff, die Single Radio wirklich seicht und die Tourkritiken schlecht, soweit ich das verfolgt habe. Eher kritisch wurde eben die Rolle von Herwig als neuer Leadsänger gesehen.
Mit dem zweiten Schlagzeuger war Spliff mehr den je "nur" die Herwig Mitteregger Band. Das konnte auf Dauer meiner Meinung nach nicht gut gehen. Aber sie haben sich alle drauf eingelassen, warum auch immer.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Sonntag 30. Dezember 2007, 13:38
von Roter Hugo
Ich könnte mir schon vorstellen, daß Herwig damals nach seinen Soloprojekten mit seiner unbestreitbar vorhandenen Portion Arroganz auch den Alleinanspruch als Häuptling gestellt hat, ihn auch zu dem Spruch verleitet hat, aber insbesondere mit Reinholds Ansprüchen an die Musik und auch die Bandstruktur niemals zu vereinbaren war.
Spliff als Herwig-Mitteregger-Band konnte nicht funktionieren. Zumal die vier ja auch nach der Nina-Hagen-Zeit eins nie nicht wollten: ein "Frontschwein". Ohne die kreative Spannung, vor allem natürlich zwischen Herwig und Reinhold, ist Spliff nicht mehr möglich gewesen.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Montag 31. Dezember 2007, 20:41
von priss
Ich kann nicht ganz nochvollziehen, wieso Herwig 1984 den Oberhäuptling markiert haben soll. Auf "Schwarz Auf Weiss" sind lediglich 2 Nummern ausschließlich aus seiner Feder,bei 2 weiteren hat er den Text beigesteuert. Reinhold hatte alleine 3 Nummern am Start.
Und was die Live-Konzerte betrifft: Sicher hatte Herwig auf der "Schwarz Auf Weiss"-Tour eine Sonderstellung. Na ja, aber wieviel singende Schlagzeuger kennt Ihr denn? Ich stelle mir die Doppelbelastung Schlagzeug - Leadgesang schwieriger vor als z.B. die Kombination Piano - Leadgesang oder Gitarre - Leadgesang. Herwig wurde eben als "Allzweckwaffe" (Sänger, Keyboarder, Schlagzeuger) eingesetzt.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Donnerstag 3. Januar 2008, 17:44
von sternenmillionär
tolle beiträge hier !!!besonders die beschreibung von potsch und mannes letzten 20 jahren von priss;das deja vu war passend weitergetextet. über das ding mit dem häuptling hab ich noch nicht nachgedacht...ich glaube aber auch nicht, daß der herwig explizit den anspruch erhoben hat. das war wohl eher ne geschichte " cowboys und indianer"; also zwei cowboys( reinhold , manne ) treffen auf zwei indianer. so hatte sich das zumindest fortentwickelt eine zeit. manfred und reinhold waren der kopf der nena-band und der rest verkam zu einer art stiftung aufgegangen in schwarz auf weiß. irgendwo fehlte der 3. indiander, um das schiff am sinken zu hindern.und der pörksen hatte wohl nicht die qualitäten... die 4 spliffer waren ja 4 ultraclass-produzenten (" we are producers"). als die karten neu gemischt wurden,um 1986, war der herwig schon geflüchtet in seine trotzburg. kein grund, nie wieder songs gemeinsam zu schreiben. nicht für mtv sondern für die ewigkeit, wie z.B. CAN.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Donnerstag 3. Januar 2008, 17:51
von Magie
Wow, was für Ideen. Die SPLIFF-Stiftung, das wäre es doch gewesen (so ne Art Motown-Band für die deutsche Szene vielleicht).
Im Ernst: Auch andere Bands hatten wechselnde Mitglieder, unmöglich wär das nicht gewesen. Und in meinen Augen auch kein Etikettenschwindel, wie Reinhold 1988 sagte, wenn die Qualität gestimmt hätte.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Donnerstag 3. Januar 2008, 20:08
von Steffen
Magie schrieb ( <span style="font-size:8pt;">» zum Beitrag</span> )Im Ernst: Auch andere Bands hatten wechselnde Mitglieder, unmöglich wär das nicht gewesen. Und in meinen Augen auch kein Etikettenschwindel, wie Reinhold 1988 sagte, wenn die Qualität gestimmt hätte.
Naja, ich finde das eingetlich nur konsequent, so ne Scheibe wie "Froon" nicht unter Spliff laufen zu lassen. Das mit "Besetzung wechselt, Name bleibt" ist immer ne haarige Angelegenheit. Das funktioniert vielleicht dann, wenn's einen eindeutigen "Häuptling" gibt, aber dann ist das auch nicht wirklich eine Band. Beispiel BAP (auch wenn ich nie Fan war)...das ist mittlerweile die Niedecken-Band und spätestens als Major ging, hätte der Name BAP sterben müssen.
In Sachen "Häuptlings"-Diskussion würd ich schon sagen, dass Herwig einer war. Sein Ego war zu jener Zeit schon ziemlich groß, was er zum Beispiel in dem Interview zum "Rock am Ring"-Auftritt schon auch deutlich machte. Da hatte er halt gemerkt, dass es als Solo-Künstler nicht unbedingt schlechter für ihn läuft und hatte keinen Bock mehr auf Kompromisse. Das ist halt nicht sehr weitsichtig, denn viele kreative Dinge passieren eben mal NUR in einem Band-Format. Ich denke Reinhold hat das begriffen, sonst würde er ja seine Soundtracks auch alle alleine machen. Ich denke mal, dass jeder der vier Spliffer eigene Vorstellungen zur Ursache hatte, warum die 84er Tour so Kacke lief. Und da kann es durchaus zu "Verstimmungen" innerhalb eines Band-Gefüges führen. Und wenn nicht mehr jeder von der gemeinsamen Sache überzeugt ist, muss man's lassen.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Donnerstag 3. Januar 2008, 21:22
von Magie
Mit dem Etikettenschwindel war ja letztlich gemeint, daß es ohne Herwig Mitteregger Spliff nicht geben konnte. Dennoch wäre Spliff vielleicht 1985 ohne Mitteregger ich sage mal interessanter gewesen als 1984 mit ihm. Auch ein Trio wäre denkbar gewesen...
Das sage ich bewußt aus der Rückschau: Ein neues Bandmitglied hätte ich nicht negativ gefunden. Damals habe ich überhaupt nicht darüber nachgedacht, ob und wie es mit Spliff weitergeht. Es gab und gibt ja auch genug andere gute Bands...
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Donnerstag 3. Januar 2008, 23:51
von Roter Hugo
Magie schrieb ( <span style="font-size:8pt;">» zum Beitrag</span> )
... ohne Herwig Mitteregger Spliff nicht geben konnte. Dennoch wäre Spliff vielleicht 1985 ohne Mitteregger ich sage mal interessanter gewesen als 1984 mit ihm.
Aber es wäre eben nicht Spliff , sondern Band XYZ oder meinetwegen auch Froon gewesen. Ich denke, genau das hatte Reinhold dann später mit Etikettenschwindel gemeint und das finde ich völlig richtig und konsequent, wenn auch vermarktungstechnisch wahrscheinlich eher nicht förderlich.
(Ganz nebenbei, Steffen: war das genau genommen Genesis letzten Sommer?

)
Und zu Herwigs Ego möchte ich Steffen zustimmen: auch wenn er nicht alle Stücke selber geschrieben hat, hat er 1984 doch ein bißchen auf Ich und Herwig-Mitteregger-Band gemacht, finde ich. Nicht nur, weil er Sänger war und Curt Cress für ihn getrommelt hat, sondern auch in der Art des Auftretens. Das war schade, denn gerade im kreativen Wechselspiel vor allem mit Reinhold, aber auch den instrumentalen Fähigkeiten und Ideen von Manne und Potsch war Spliff am spannendsten.
P.S. so ganz daneben, wie hier geschrieben wurde, fand ich die neue Version von Deja vu übrigens nicht, hatte halt einen etwas anderen Schwerpunkt als die Betonung der Simmons im Original, aber ich fands gar nicht schlecht, z.B. das Zusammenspiel der Gitarren (wenn ich das als Musik-Laie so schreiben darf) War halt keine Kopie (wäre unmöglich), und das fand ich positiv.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 04:53
von priss
Interessante Diskussion!
Ihr macht Herwigs Anspruch als Oberhäuptling 1984 wohl an bestimmten Interviews fest, die er gegeben hat. OK, da kann ich nicht mitreden - die kenne ich nicht. Was hat er denn da genau gesagt?
Herwig hat nicht kapiert, dass er genauso abhängig war von der kreativen Synergie wie alle anderen auch. Als die Beatles sich trennten und alle 4 Bandmitglieder ihre Soloplatten veröffentlichten, waren sie anfangs mit dem Kopf noch immer in einer "Beatles-Wolke". Daher sind die ERSTEN Solo-Scheiben von John und George (ein 3fach Album!) genauso gut wie jedes Beatles-Album. Das änderte sich dann, als die Synergie aus dem Kopf war. Dasselbe bei Herwig: "Kein Mut Kein Mädchen" ist noch voll im Spliff-Geist entstanden - es ist genauso gut wie die 3 zuvor entstandenen Spliff-Scheiben! Das änderte sich dann aber spätestens nach dem 2.Soloalbum...
Warum war die "Schwarz Auf Weiss"-Tour so kacke? Ich war bei zwei Auftritten: Einem eilig eingeschobenen Zusatzdauftrittt in einer Riesendisco in Essen (da waren ganze 200 Leute!) und in der Düsseldorfer Philipshalle (da waren es ca. 1000 Leute). Die Gründe für diesen Misserfolg sind wohl vielfältig: Die neue Platte war nicht so gut, die Bandchemie stimmte nicht mehr, den "Radioshow"-Rockfans war ihre Geduld, auf Radioshow No.2 zu warten, abhanden gekommen, es gab keinen starken Single-Hit mehr, die NDW flaute ab...
@Roter Hugo: Die neue Version von Déjà Vu war schon geil, weil es viele neue Ideen darin gab. Nur mit der Texterweiterung tue ich mich etwas schwer...
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 08:03
von Roter Hugo
priss schrieb ( <span style="font-size:8pt;">» zum Beitrag</span> )...
Das änderte sich dann, als die Synergie aus dem Kopf war. Dasselbe bei Herwig: "Kein Mut Kein Mädchen" ist noch voll im Spliff-Geist entstanden - es ist genauso gut wie die 3 zuvor entstandenen Spliff-Scheiben! Das änderte sich dann aber spätestens nach dem 2.Soloalbum...
Auch wenns langweilig ist: 100% Zustimmung.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 11:26
von Steffen
priss schrieb ( <span style="font-size:8pt;">» zum Beitrag</span> )Ihr macht Herwigs Anspruch als Oberhäuptling 1984 wohl an bestimmten Interviews fest, die er gegeben hat. OK, da kann ich nicht mitreden - die kenne ich nicht. Was hat er denn da genau gesagt?
Ich will's jetzt nicht abtippen müssen, aber so ungefähr sagte er, das für ihn Spliff auf den Müllhaufen der Geschichte gehöre. Und wenn sie nochmal zusammenkämen, dann wohl nur um "a few million bugs" zu machen. ER hätte seine eigene Band und die findet er total klasse, und warum sollte er dann...etc.
priss schrieb ( [FONTsize=8]» zum Beitrag</span> )
Warum war die "Schwarz Auf Weiss"-Tour so kacke? Ich war bei zwei Auftritten: Einem eilig eingeschobenen Zusatzdauftrittt in einer Riesendisco in Essen (da waren ganze 200 Leute!) und in der Düsseldorfer Philipshalle (da waren es ca. 1000 Leute). Die Gründe für diesen Misserfolg sind wohl vielfältig: Die neue Platte war nicht so gut, die Bandchemie stimmte nicht mehr, den "Radioshow"-Rockfans war ihre Geduld, auf Radioshow No.2 zu warten, abhanden gekommen, es gab keinen starken Single-Hit mehr, die NDW flaute ab...
Ich find "Schwarz auf Weiß" eigentlich gar nicht so übel, wie sie immer gemacht wird. Vielleicht ein bisschen zu "erwachsen" und "unspektakulär" im Vergleich zu den drei Vorgänger-Alben. Sie hätten einfach damit rechnen müssen, dass die Masse sie wohl oder übel zur NDW zählte, und auf NDW hatte man keinen Bock mehr. Ich denke mal, sie haben sträflicherweise ignoriert, dass ihr Riesenerfolg zuvor eben mit der von ihnen gehassten NDW zu tun hatte.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 12:09
von Magie
Nicht zu vergessen: Das "Direktmarketing" war schlecht. Schreib an "Fabrik Rakete" stand auf der 85555. Ich war sicherlich nicht der Einzige, der das getan hat. Nur gab es nie eine Art Fanpost zurück, was andere Bands halt gemacht haben. Aber Spliff wollte ja auch keine Fanclubs unterstützen. Etwas ist den Vieren der Erfolg auch suspekt gewesen!
Vielleicht hätte mehr Werbung direkt an die Fans mehr gebracht als der Live-Auftritt im Fernsehen aus München.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 13:06
von Chris
Also ich finde dieses Thema und die daraufhin losgetretene Diskussion auch interessant. Meine Meinung zu Herwig ist ganz klar: Alphatierchen!!!
Wer von den Anderen hat den eine so ausgeprägte " Solodarbietung" hingelegt? Er wollte das so, und hats einfach gemacht. Als ich ihn das letzte Mal live gesehen hatte,(das war im Oktober 1993 im "Outpost" in Göttingen)hatte ich den Eindruck das er seine Solokonzerte auch vor 200 Leuten genoss. Das war leider 1984 in Kassel bei SuW anders.(Da waren es auch 200). Beim dem Outpost Konzert dachten wir nach 3 Zugaben, das es das war, und hatten schon im Foyer unser Bier geordert, da fand er einfach noch mal auf die Bühne und trommelte Deja vu. Das fanden wir ( so ca 30 Leute die noch nicht gegangen waren) extrem coooool.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 13:56
von priss
Steffen schrieb:
Ich will's jetzt nicht abtippen müssen, aber so ungefähr sagte er, das für ihn Spliff auf den Müllhaufen der Geschichte gehöre. Und wenn sie nochmal zusammenkämen, dann wohl nur um "a few million bugs" zu machen. ER hätte seine eigene Band und die findet er total klasse, und warum sollte er dann...etc
Wenn er das so sinngemäß gesagt haben sollte, dann er hat er nicht verstanden, dass er mit Potsch, Manne und vor allem Reinhold die besten Musiker Deutschlands als "Begleitband" um sich hatte - dass er ohne sie seine Songideen gar nicht derart brilliant hätte umsetzen können. Dann hat er auch nicht kapiert, dass sie damals eine Musik gemacht haben, die zeitlos ist.
Ich könnte mir vorstellen, dass er das HEUTE ein wenig anders sieht...
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 17:57
von Roter Hugo
Also habe ich mal ein bißchen Fleißarbeit verrichtet und mir die hier wohl gemeinten Interviews nochmal angeschaut und die wichtigen Aussagen herausgeschrieben (nochmals Dank an Steffen, daß dies überhaupt zur Verfügung steht):
Herwig Mitteregger:Juni 1986 Am Rande von Rock Am Ring:
"Die Band Spliff ist: Wir sind am Ende, es wird auch diesen Namen nicht mehr geben, auch wenns ne neue Band gibt vielleicht sogar mit der gleichen Besetzung. Spliff gehört für mich auf den Müllhaufen der Geschichte. Wir haben ne Menge Erfolg gehabt, wir haben ne ganze Menge erreicht. Wir haben, glaube ich, sogar alles erreicht, was wir überhaupt erreichen konnten in deutscher Sprache. Wenn es darum geht, daß man Spliff nochmal aus dem Sarg holt, dann finde ich, nur dann, wenn es darum geht a few million bucks zu machen. Und das heißt, man muß leider einen englischen Sänger haben oder einen Amerikaner. Und das ist das, was mich bei so einer hochdotierten Band wie Spliff interessiert. Allerdings sind diese Träume momentan sehr klein, weil ich hab meine eigene Geschichte und ich hab meine Band und die finde ich sehr gut."
1986 In HH am Rande eines TV-Konzerts im Interview mit Alan Bangs:
"Na ja, ich arbeite schon seit Jahren immer mit den gleichen Leuten zusammen, die sind nicht schlecht. Aber es ist ist wie eine Ehe, man geht sich irgendwann auf die Nerven, man hat andere Wünsche. Wie jemand spielt zum Beispiel. Man möchte mal andere Musikrichtungen mischen mit der eigenen. Und Alex Conti zum Beispiel ist jemand, der völlig anders spielt, als ich das jemals gesehen hab von irgendeinem Gitarristen. Aber der hat immer viel zu tun gehabt. ... Und George Kochbek, für den gilt eigentlich das auch, .der ist sehr beschäftigt.... Jetzt haben wir endlich die Truppe zusammen. Kurioserweise wollen die immer noch, was ich eigentlich auch immer will: Nicht in die Hallen, sondern in den Clubs spielen."
Dann folgt noch eine Weile, wie vielseitig und offen er sei und wie ihn die NDW angeödet habe ("Deusche Läuse") und wie doof doch so viele "Leute" seien außer ihm. Auffällig finde ich immer, wie oft das Wort "ich" vorkommt. Vielleicht müssen richtig kreative Künstler dieses egozentrische Weltbild für sich in Anspruch nehmen, um wirklich gute, um nicht zu sagen geniale Dinge zu kreieren???
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 18:39
von Roter Hugo
Und zur Vervollständigung auch das Interview mit FROON 1988, es redet nur Reinhold Heil:
(Zu Spliff)
"Wir haben uns damals erstmal in alle vier Winde zerstreut, und wußten nicht mehr, ob wir zusammen weiter machen sollen. Es war eine leichte Verunsicherung aufgetreten und ein bißchen Überdruß mit dem Konzept von vier Leuten, wo jeder seine Stücke schreibt und selber singt. Es ist nicht unbedingt gesagt, daß es diese Band nicht mehr geben wird. Man kennt das ja mit den Revivals: Wenn die Knete ausgeht oder so, dann gibt es wieder ein Revival, vielleicht in 10 Jahren oder so.
(Zum Froon-Sänger und Frontmann Lyndon F. Conan ) Nach so vielen Jahren des Abscheus vor diesen Leuten, die wir Frontschwein nennen, haben wir das irgendwie überwunden, sind älter geworden, ist viel Gras gewachsen über unsere Zeit mit Nina Hagen und diese Sachen. Wir haben gesagt, daß können wir wieder vertragen. .... (Über Berlin) So eine Stadt hat so eine Atmosphäre, ich will hier auch nicht weg. Herwig zum Beispiel wollte hier weg, und er ist jetzt auch weg. Ob Berlin angesagt ist, ist mir schnurz. Ich bin einfach gerne hier. Und die beiden (Manne und Potsch) sind ja sowieso nur zum Arbeiten hier. (Gelächter)
(Zur Frage, warum sie nicht Spliff, sondern Froon hießen:)
Wir sind keine Etikettenschwindler. Herwig Mitteregger ist nicht ersetzbar. Keiner von uns ist ersetzbar. Ein Gefühl, was man zusammen hat und was mal eine Weile dick im Raum stand, auch nach außen, ist auch nicht ersetzbar und auch nicht reproduzierbar. Und wenn das nicht mehr da ist, dann heißt das eben auch nicht mehr so."
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 19:07
von priss
Danke, Roter Hugo, für Deine Fleissarbeit.
Der einzige Satz, der mich bei Herwig stört, ist: "Für MICH gehört Spliff auf den MÜLLHAUFEN der Geschichte". Das zeigt zum einen, wie angep.... er wohl von der Entwicklung bei Spliff war. Zum anderen diskrediert er auch das Erreichte - er hätte ja auch "auf den Ehrenfriedhof der Geschichte" oder etwas ähnliches sagen können.
Alles andere deckt sich aber doch inhaltlich ziemlich, was auch Reinhold gesagt hat. Ich kann daran jetzt nicht soooo viel Arrogantes finden. Herwig hat sich ja wohl auch kurzzeitig vorstellen können, in einer neuen Band in alter Besetzung - mit englischem Frontmann - mitzuspielen. Schwer zu sagen, aus welchen Motiven er das gesagt hat (finanziellen? künstlerischen?). Hätte er`s nur getan, dann wär "Froon" nicht ganz so glatt geworden.
Alex Conti (Ex-Gitarrist von Lake) und George Kochbek sind sicherlich hervorragende Musiker - aber die bereits oben erwähnte kreative Synergie kam mit DEN BEIDEN wohl nicht auf. Vielleicht wollte Herwig das ja auch nicht...
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 19:24
von Roter Hugo
Das stimmt, in den Passagen zu Spliff und in den Bemerkungen über die anderen Spliffer hält es sich in Grenzen. (Obwohl sein "die sind nicht schlecht"...) In anderen Passagen kommen eher die Bemerkungen, wie doof und unpolitisch und simpel andere doch seien und eigentlich nur er der Blicker sei. Ich will ihn ja gar nicht als arroganten Hansel hinstellen, denke nur, daß er zumindest damals ein recht egozentrische Sicht von vielem hatte. Wie bereits geschrieben, wäre aber andererseits ein ausgeglichener, alles abwägender und objektiv urteilender Mensch wahrscheinlich auch nicht in der Lage, künstlerisch etwas Eigenständiges zu schaffen.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Freitag 4. Januar 2008, 23:33
von Steffen
Danke, Roter Hugo, für's Abtippen.
Gelesen ist das in der Tat nicht krass, wie ich's in Erinnerung hatte. Aber er hat schon öfters über andere deutsche Acts "hergezogen", was natürlich in der Summe schon etwas Überheblichkeit und Egozentrik rüberbringt*. Ist ja manchmal auch wichtig in diesem Business. Allerdings ist es einfach schade, dass er 85/86 wohl keinen Bock mehr darauf hatte, sein Solo-Ding und die Band parallel laufen zu lassen. Mich würde schon mal interessieren wie's in ihm nach dem 87er Flop "Jedesmal" aussah. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich da seine Aussage von 1980, dass Deutschland ihn nicht verdient hätte (nachzuhören auf der ME/Sounds-Flexi), sich festigte, und er so langsam Richtung Andalusien schielte. Schade ist es auch, dass die Reunion-Versuche 1999 und 2003 wohl auch an ihm scheiterten. Er schrieb mir in einer eMail, dass man alte Ehen wohl doch besser nicht aufwärmen solle.
*BAP war glaub ich auch immer ein Lieblings-Thema, oder? >
HÖREN<
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Samstag 5. Januar 2008, 12:03
von priss
Danke, Steffen, für das Hörbeispiel.
Hört sich an, als ob Herwig besoffen gewesen ist? Oder hatte er vorher etwas eingenommen?
Das ist alles ziemlich unausgegorenes Zeug, was Herwig da äußert. Ich verstehe gut, dass die Spliffer vom künstlerischen Standpunkt her ein wenig über BAP geschmunzelt haben. Aber das, was Herwig hier absondert, ist weder geistreich noch komisch oder gar witzig.
Herwig war immer gut, wenn er den Blick in sein eigenes Inneres richtete. Da brachte er die authentischsten und emotionalsten Texte und Songs zustande, die ich je gehört habe.
Aber Herwig hat auch sicher immer viel gelesen. Nur ob er das immer richtig verstanden hat, was er da so gelesen hat? Jedenfalls sind seine Äußerungen über die "Außenwelt" (sei es politisch oder künstlerisch gesehen) eher von Überheblichkeit geprägt und ziemlich unausgegoren.
Aber das ist nicht nur Herwigs Problem. Nicht wenige erfolgreiche Rockstars glauben ja, ihren Erfolg dazu nutzen zu müssen/dürfen/können, in irgendeiner Form politisch oder sonstwie Einfluss zu nehmen. Das, was sie dann in im TV oder sonstwo von sich geben, ist in der Regel ziemlich undifferenziert.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Samstag 5. Januar 2008, 19:51
von Chris
Auch von mir als noch relativ neuer User mal ein Dank an Steffen für die vielen Spliff Infos!!! (incl. Grodecki Forum)
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Samstag 5. Januar 2008, 19:51
von Chris
Hätte Herwig den Drang verspürt seine Ansichten weiter in die Welt zu tragen, hätte er es doch mal mit dem Schreiben eines Buches tun können. Hat er eigenlich mal etwas zu Papier gebracht? (Außer seine Songtexte)
Wäre mal interessant zu wissen wie Herwig bei seinen Songs Text und Musik gegeneinander wichtet.
Vielleicht überschätzen wir auch seine Rhetorik, weil sie ja so cool ist. Wenn man Ihn im o.g. Interview so gackern hört, könnte man auf den Gedanken kommen, das es Ihn darum ging, in jeder Situation undurchschaubare Phrasen von sich zu geben, meistens ohne Hintergrund. Egal, trotzdem liebe ich seine Texte.
Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Samstag 5. Januar 2008, 23:47
von Steffen
Chris schrieb ( <span style="font-size:8pt;">» zum Beitrag</span> )(incl. Grodecki Forum)
...hehe, das waren noch Zeiten!

Re: "Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer"
Verfasst: Sonntag 6. Januar 2008, 14:54
von sternenmillionär
at least we can say: we told you so. tbc to be contiunued