Fandango
Höre das Ding jetzt seit 1 Monat ziemlich intensiv und muß gestehen, daß ich am Anfang dachte: das war jetzt dann doch nichts, zu viel Geschrammel ("Alaska"), zu wenig Harmonie, Melodie. Hat dann ein bißchen gedauert, aber komischerweise wurde ich des Hörens nicht leid, im Gegenteil.
ALASKA
Nicht der wohl beabsichtigte Knaller-Opener wie SCHIFF oder DEJA VU, die Gitarre schrammelt in stark wechselnder Lautstärke, gut gemeinte Rhythmuswechsel, aber der Funke springt noch nicht so richtig über. Ein gutes Beispiel für die These, daß Gastmusiker (z.B. Gitarristen und stimme zu, priss, auch Keyboarder) durchaus eine Bereicherung sein könnten. Wie Spliffer schrieb: Freue mich auch sehr auf die LIVE-Version, könnte dort ein Kracher werden. Als CD-Opener eher nicht.
AHA
Mag den Blues-Einschlag der Scheibe, das erste Highlight kommt hier, textlich sowieso (hier an alle Schlaumeier und Alleswisser dieser Welt), aber auch musikalisch, und ein klasse Refrain. Vielleicht das gefälligste Stuck neben HHH und BEN.
HHH
Ein ungewöhnlich leicht verständlicher Text, tut der Qualität in diesem Fall aber keinen Abbruch. Wie andere bereits schrieben, dadurch und durch den gefälligen Rhythmus vielleicht sogar radiotauglich.
BEN
Schon wieder ein gut verständlicher Text, die Geschichte einer gescheiterten Ehe in West-Berlin (ob die wohl aus den 80ern stammt ?) Auch wieder sehr gefällig, wäre zwar nicht selber drauf gekommen, aber priss hat natürlich Recht: deutlicher Anklang an die Travelling Wilburys. Lebt aber eher von der Story als von aufregendem musikalischen Höhepunkt, da hätte auch der ein oder andere zusätzlich Akkord nichts geändert.
FREI
Das Stück muß ich jetzt mal gegenüber den Vorschreibern verteidigen: Klingt für mich genau so, wie es soll: Langsam, fast schon tranig, schleppt sich dieser Blues über das zweifelhafte Privileg des Arbeitslosen, FREI zu sein. Text und Musik eine stimmungsvolle Einheit. Ich finds klasse.
FANDANGO
Das wäre der richtige Opener gewesen (kommt aber gerade nach FREI auch sehr gut): ein absoluter Kracher, zugegebenermaßen mit einigen drastischen Stimmungs (und Lautstärke-) -wechseln, fast schon -brüchen. Ein gutes Beispiel für die These: Alles alleine gemacht bringt erst den ureigenen Stil, das ureigene Werk. Hier sind sowohl die lauten als auch die leisen Gitarrenparts hervorragend und effektvoll eingesetzt (möglicherweise technisch nicht perfekt, aber das muß hier auch nicht, ist schon okay mit der Gitarre, Rudi)
NOTAUSGANG 2009
Ohne Kenntnis der 82er Version vielleicht nicht so spannend. So aber hochinteressant, vor allem in den kleinen Zwischentönen beim konzentrierten Zuhören.
SONNTAG
Besser kann man die Stimmung eines frühen Sonntag Morgen, an dem man los muß, nicht beschreiben. (Wäre HH-Rissen in Amerika, würde das so aussehen wie bei
Hopper) Musikalisch, textlich, gesangsmäßig, wieder eine Einheit. Und mein ungeübtes Ohr ist vom (möglicherweise nicht perfekt gespielten) Jazzpiano im Bluesstück nicht beleidigt.
KREISE
Kein Highlight, aber gut zu hören, kann es nicht begründen, aber es klingt irgendwie
"kreisförmig".
SO NAH SO FERN
Hochspannend, textlich und musikalisch. Stimmt auch: einige Brüche, aber m.E. genau richtig so. Das paßt.
AUF´M LAND
Auch hier ein priss-Zitat: "Kitschverdacht". Stimmt, nur daß der Verdacht sich nicht bestätigt. Genauso stand er wohl in Spanien mit Sohn und Frau vor dem Mandelfeld. Hommage an seine spanische Zeit. Stimmungsvoll, aber Kitsch: find ich nicht. Kann er zwar auch, war aber auf früheren Werken.
Textlich ungewöhnlich viele "verständliche" Texte, die regelrechte Geschichten erzählen. Auch auffällig oft pointiert eingesetzte schleppend-nölende Stimme (z.B. SONNTAG, FREI, KREISE).
Mit etwas Anlauf eine der sperrigsten, sprödesten Scheiben von Herwig, aber auch eine der Besten. Andererseits schreit die CD jetzt nach Live-Umsetzung und Zusammenarbeit mit anderen Musikern.